EU entscheidet an den Menschen vorbei
[06/2005]
Etwa zehn Prozent der EU-Bevölkerung sind Menschen mit Behinderungen. Doch in den EU-Strukturprojekten für die Jahre 2007 bis 2013 ist die Barrierefreiheit bisher nicht verankert. Die Delegierten der 9. Generalversammlung des Europäischen Behindertenforums (EDF) übten scharfe Kritik an den Plänen der EU.
"Dieses Vorgehen ist völlig inakzeptabel", erklärte Yannis Vardakastanis, EDF-Präsident aus Griechenland, auf der Generalversammlung Ende Mai in Barcelona. Im EDF sind mehr als 50 europäische Behindertenorganisationen zusammengeschlossen.
Die Delegierten forderten die EU nachdrücklich auf, bei ihren Infrastrukturprojekten eine umfassende Barrierefreiheit sicherzustellen. Zudem forderten sie eine bessere Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in allen EU-Politikbereichen und Mitgliedstaaten sowie eine stärkere Einbindung der Behindertenverbände in den europäischen Einigungsprozess. Auch müsse die Beschäftigungspolitik besser auf Menschen mit Behinderungen ausgerichtet werden.
Soziale Unterschiede
Die Strukturfonds sind das wichtigste Mittel der Europäischen Union (EU), um wirtschaftliche und soziale Unterschiede zu beseitigen. Allein für Deutschland stellt die EU in den Jahren 2000 bis 2006 rund 30 Milliarden Euro zur Verfügung, beispielsweise für Verkehrsprojekte, Stadtsanierung oder Bildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose.
Das EDF vertritt die Interessen von 50 Millionen Menschen mit Behinderungen und ihrer Familien in der Europäischen Union. Zur EDF-Generalversammlung waren 200 Delegierte aus 29 Ländern angereist, darunter neben den Delegierten aus den 25 EU-Mitgliedstaaten auch Vertreterinnen und Vertreter aus Rumänien, Kroatien, Norwegen und Island.
Auf der Tagesordnung stand auch die Neuwahl des Präsidenten, des Präsidiums und des Vorstands. Der bisherige Präsident Yannis Vardakastanis vom Griechischen Behindertenrat wurde für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Neu in den Vorstand wählten die Delegierten Jens Kaffenberger vom Sozialverband VdK Deutschland.
Nicht gleichberechtigt
Menschen mit Behinderungen sind in Europa immer noch nicht gleichberechtigt. Sie sind im Vergleich zu nicht behinderten Menschen doppelt so oft von Arbeitslosigkeit betroffen und als Arbeitnehmer häufiger in schlecht bezahlten oder Gelegenheitsjobs tätig. Auch der gleichberechtigte Zugang zu sozialen Dienstleistungen, Gebäuden oder zum Verkehr bleibt ihnen oft verwehrt. (jk)