Europäischer Gerichtshof-Urteil vom 12.4.13- stärkt Rechte-chronisch kranker Arbeitnehmer

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Europäischer Gerichtshof-Urteil vom 12.4.13- stärkt Rechte-chronisch kranker Arbeitnehmer

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EuGH stärkt chronisch kranke Arbeitnehmer: Lang andauernde Krankheit kann Behinderung gleichstehen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Rechte lang kranker Arbeitnehmer gestärkt. Nach einem am Donnerstag, 11. April 2013, verkündeten Grundsatzurteil können sie wie behinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz genießen oder entsprechende Hilfen beanspruchen (C-335/11 und C-337/11).

Dabei sei auch die UN-Behindertenkonvention mit in den Blick zu nehmen. Arbeitgebersorgen nach einem früheren Urteil aus 2006, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden, sind mit dem neuen Urteil aber vom Tisch.
In den neuen Fällen geht es um zwei Arbeitnehmerinnen in Dänemark. Die eine war wegen eines Schleudertraumas lang andauernd krank, die andere leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Beide waren nach dänischem Recht mit verkürzter Frist entlassen worden, weil sie innerhalb von zwölf Monaten mehr als 120 Arbeitstage gefehlt hatten.
Nach EU-Recht und inzwischen auch nach deutschem Recht dürfen Behinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Mit Urteil vom 11. Juli 2006 hatte der EuGH entschieden, dass eine Behinderung eine Beeinträchtigung ist, die die Teilhabe am Erwerbsleben "über einen langen Zeitraum" einschränkt (Aktenzeichen: C-13/05).
In seinem neuen Urteil bekräftigt nun der EuGH, dass dies auch physische, geistige oder psychische Krankheiten umfasst, wenn diese zu "Einschränkungen von langer Dauer" führen. Die – gegebenenfalls krankheitsbedingte – Behinderung müsse nicht zu einem völligen Ausschluss vom Erwerbsleben führen. Auch spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen auf bestimmte Hilfsmittel angewiesen sind.
Fehltage, die auf eine so definierte Behinderung zurückgehen, dürften nicht zu einer Benachteiligung bei Kündigungen führen, urteilte der EuGH – etwa wie in Dänemark zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist.
Auch deutsches Recht lässt eine krankheitsbedingte Kündigung zu. Allerdings gibt es hierfür keine verkürzte Kündigungsfrist und es gibt auch keine feste Grenze bei den Fehltagen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehlzeiten dem Arbeitgeber noch zumutbar sind.
Nach dem EuGH-Urteil von 2006 hatten in Deutschland zahlreiche Arbeitgeber befürchtet, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden. Nach dem neuen Urteil bleiben sie zulässig. Sie werden aber erschwert, soweit Fehltage auf eine chronische oder dauerhafte Erkrankung zurückgehen. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen Arbeitgeber wohl auch diesen Arbeitnehmern die nach deutschem Recht für Behinderte vorgesehenen Hilfen anbieten, etwa eine Arbeitszeitverkürzung oder das "Betriebliche Eingliederungsmanagement".
Zur Begründung verwies der EuGH auch auf die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen. Diese wurde 2009 auch von der EU ratifiziert. Daher sei das europäische Recht "nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen", betonten die Luxemburger Richter.
11.04.13
VdK Deutschland

Viele Grüße
Baden24
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Re: Europäischer Gerichtshof-Urteil vom 12.4.13- stärkt Rechte-chronisch kranker Arbeitnehmer

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Archiv hat geschrieben: Di 27. Mär 2018, 22:05 EuGH stärkt chronisch kranke Arbeitnehmer: Lang andauernde Krankheit kann Behinderung gleichstehen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Rechte lang kranker Arbeitnehmer gestärkt. Nach einem am Donnerstag, 11. April 2013, verkündeten Grundsatzurteil können sie wie behinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz genießen oder entsprechende Hilfen beanspruchen (C-335/11 und C-337/11).

Dabei sei auch die UN-Behindertenkonvention mit in den Blick zu nehmen. Arbeitgebersorgen nach einem früheren Urteil aus 2006, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden, sind mit dem neuen Urteil aber vom Tisch.
In den neuen Fällen geht es um zwei Arbeitnehmerinnen in Dänemark. Die eine war wegen eines Schleudertraumas lang andauernd krank, die andere leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Beide waren nach dänischem Recht mit verkürzter Frist entlassen worden, weil sie innerhalb von zwölf Monaten mehr als 120 Arbeitstage gefehlt hatten.
Nach EU-Recht und inzwischen auch nach deutschem Recht dürfen Behinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Mit Urteil vom 11. Juli 2006 hatte der EuGH entschieden, dass eine Behinderung eine Beeinträchtigung ist, die die Teilhabe am Erwerbsleben "über einen langen Zeitraum" einschränkt (Aktenzeichen: C-13/05).
In seinem neuen Urteil bekräftigt nun der EuGH, dass dies auch physische, geistige oder psychische Krankheiten umfasst, wenn diese zu "Einschränkungen von langer Dauer" führen. Die – gegebenenfalls krankheitsbedingte – Behinderung müsse nicht zu einem völligen Ausschluss vom Erwerbsleben führen. Auch spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen auf bestimmte Hilfsmittel angewiesen sind.
Fehltage, die auf eine so definierte Behinderung zurückgehen, dürften nicht zu einer Benachteiligung bei Kündigungen führen, urteilte der EuGH – etwa wie in Dänemark zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist.
Auch deutsches Recht lässt eine krankheitsbedingte Kündigung zu. Allerdings gibt es hierfür keine verkürzte Kündigungsfrist und es gibt auch keine feste Grenze bei den Fehltagen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehlzeiten dem Arbeitgeber noch zumutbar sind.
Nach dem EuGH-Urteil von 2006 hatten in Deutschland zahlreiche Arbeitgeber befürchtet, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden. Nach dem neuen Urteil bleiben sie zulässig. Sie werden aber erschwert, soweit Fehltage auf eine chronische oder dauerhafte Erkrankung zurückgehen. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen Arbeitgeber wohl auch diesen Arbeitnehmern die nach deutschem Recht für Behinderte vorgesehenen Hilfen anbieten, etwa eine Arbeitszeitverkürzung oder das "Betriebliche Eingliederungsmanagement".
Zur Begründung verwies der EuGH auch auf die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen. Diese wurde 2009 auch von der EU ratifiziert. Daher sei das europäische Recht "nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen", betonten die Luxemburger Richter.
11.04.13
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Das sind doch leider alles nur schöne Worte!
In der Realität wird es bei einer Entlassung, die auf Fehltagen beruht, immer um die wirtschaftliche Situation der Firma gehen. Sollte dies durch den Arbeitgeber glaubhaft darstellbar sein, hat der Behinderte immer das Nachsehen. In meinen Augen wecken solche Urteile nur falsche Hoffnungen.

Burkhard
CSG - AP Bonn
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Re: Europäischer Gerichtshof-Urteil vom 12.4.13- stärkt Rechte-chronisch kranker Arbeitnehmer

Beitrag von Archiv »

Archiv hat geschrieben: Di 27. Mär 2018, 22:05
Archiv hat geschrieben: Di 27. Mär 2018, 22:05 EuGH stärkt chronisch kranke Arbeitnehmer: Lang andauernde Krankheit kann Behinderung gleichstehen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat die Rechte lang kranker Arbeitnehmer gestärkt. Nach einem am Donnerstag, 11. April 2013, verkündeten Grundsatzurteil können sie wie behinderte Arbeitnehmer einen besonderen Kündigungsschutz genießen oder entsprechende Hilfen beanspruchen (C-335/11 und C-337/11).

Dabei sei auch die UN-Behindertenkonvention mit in den Blick zu nehmen. Arbeitgebersorgen nach einem früheren Urteil aus 2006, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden, sind mit dem neuen Urteil aber vom Tisch.
In den neuen Fällen geht es um zwei Arbeitnehmerinnen in Dänemark. Die eine war wegen eines Schleudertraumas lang andauernd krank, die andere leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Beide waren nach dänischem Recht mit verkürzter Frist entlassen worden, weil sie innerhalb von zwölf Monaten mehr als 120 Arbeitstage gefehlt hatten.
Nach EU-Recht und inzwischen auch nach deutschem Recht dürfen Behinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Mit Urteil vom 11. Juli 2006 hatte der EuGH entschieden, dass eine Behinderung eine Beeinträchtigung ist, die die Teilhabe am Erwerbsleben "über einen langen Zeitraum" einschränkt (Aktenzeichen: C-13/05).
In seinem neuen Urteil bekräftigt nun der EuGH, dass dies auch physische, geistige oder psychische Krankheiten umfasst, wenn diese zu "Einschränkungen von langer Dauer" führen. Die – gegebenenfalls krankheitsbedingte – Behinderung müsse nicht zu einem völligen Ausschluss vom Erwerbsleben führen. Auch spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen auf bestimmte Hilfsmittel angewiesen sind.
Fehltage, die auf eine so definierte Behinderung zurückgehen, dürften nicht zu einer Benachteiligung bei Kündigungen führen, urteilte der EuGH – etwa wie in Dänemark zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist.
Auch deutsches Recht lässt eine krankheitsbedingte Kündigung zu. Allerdings gibt es hierfür keine verkürzte Kündigungsfrist und es gibt auch keine feste Grenze bei den Fehltagen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob die Fehlzeiten dem Arbeitgeber noch zumutbar sind.
Nach dem EuGH-Urteil von 2006 hatten in Deutschland zahlreiche Arbeitgeber befürchtet, krankheitsbedingte Kündigungen könnten gänzlich unmöglich werden. Nach dem neuen Urteil bleiben sie zulässig. Sie werden aber erschwert, soweit Fehltage auf eine chronische oder dauerhafte Erkrankung zurückgehen. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen Arbeitgeber wohl auch diesen Arbeitnehmern die nach deutschem Recht für Behinderte vorgesehenen Hilfen anbieten, etwa eine Arbeitszeitverkürzung oder das "Betriebliche Eingliederungsmanagement".
Zur Begründung verwies der EuGH auch auf die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen. Diese wurde 2009 auch von der EU ratifiziert. Daher sei das europäische Recht "nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen", betonten die Luxemburger Richter.
11.04.13
VdK Deutschland

Viele Grüße
Baden24
Das sind doch leider alles nur schöne Worte!
In der Realität wird es bei einer Entlassung, die auf Fehltagen beruht, immer um die wirtschaftliche Situation der Firma gehen. Sollte dies durch den Arbeitgeber glaubhaft darstellbar sein, hat der Behinderte immer das Nachsehen. In meinen Augen wecken solche Urteile nur falsche Hoffnungen.

Burkhard
CSG - AP Bonn
Hey,
leider sehe ich das auch so wie Burkhard. Auf der letzten Jahrerversammlung des VdK Sachsens hat der Geschäftsführer uns mitgeteilt, das 80% der Betriebe in Sachsen lieber die Geldstrafe bezahlen, als Behinderte einzustellen. Ich weiß nicht wie es in anderen Landkreisen bzw. Bundesländern mit dem Cluster als Behinderung funktioniert.
In Landkreis Mittelsachsen ist der Clusterkopfschmerz keine eigenständige Kopfschmerzerkrankung und kann deshalb keinen eigenen GdB bekommen. Im Moment habe ich 40%, aber nicht aufgrund meiner Trigeminusneuralgie, meines atypischen Gesichtsschmerzes und dem Clusterkopfschmerz, sondern wegen der psychisch-somatischen Belastung die aus diesen Kopfschmerzen (personelle Störung) entstanden. Sie glauben mir, obwohl ich meine Kopfschmerzkalender miteingericht habe, auch nicht die Attackenhäufigkeit, die Schmerzstärke und -länge nicht. Im Moment läuft die Klage beim Sozialgericht.
LG Gisela
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