Selbsthilfegruppen sind eine gute Sache. Oder doch nicht?
In Selbsthilfegruppen treffen sich Leute oder tun sich Leute zusammen, die nur eine Gemeinsamkeit haben. Sie haben ein ähnliches Schicksal. Sei es Sucht oder Angehörige von Süchtigen oder eben eine Krankheit.
Bleiben wir bei den Selbsthilfegruppen, bei denen es um Krankheit geht.
Das Internet hat gerade in diesem Bereich zu einem wahren Boom an Selbsthilfeorganisationen ausgelöst. Man kann, muss aber nicht und ganz wichtig, man kann anonym bleiben.
Foren haben Vorteile, um sich mal schnell zu informieren, sich mitzuteilen und zu erfahren, anderen geht es genauso.
Einige Selbsthilfegruppen bieten neben Foren auch reale Treffen an.
Alles gut und recht. Aber wie nichts einfach oder gar perfekt.
Eine Gruppe identifiziert sich über eine oder mehrere Gemeinsamkeiten. Bestehen diese nicht, fällt die Gruppe auseinander.
Das führt zuweilen dazu, dass Gruppen Dogmen entwickeln, um ihre Zusammengehörigkeit und die Abgrenzung gegen andere Gruppen zu untermauern oder zu festigen.
Dann wird die Hilfe zur Selbsthilfe.
Foren haben eine ähnliche Funktion wie der Warteraum einer Arztpraxis. Man erzählt sich die Symptome und schon haben die anderen sie auch.
Da Foren rund um die Uhr offen sind, die Zahl der Beteiligten grösser als im Warteraum einer Arztpraxis kumuliert sich das Ganze.
Man verliert auf der Suche nach einer Lösung, in Nebenschauplätzen, in Details und Kausalzusammenhängen, die dem Zufall entsprechen.
Das entspringt zwei Bedürfnissen. Dem einen, auch selber etwas im Kampf gegen die Krankheit unternehmen zu können und dem Wunsch nach einer vollständiger Heilung.
Solche Forendiskussionen, die sich spekulativ mit Ursachen und Heilungsmethoden drehen können auf Eingeweihte manchmal surreale Formen annehmen.
Für Neuzugänger sind sie meist verwirrend und alles andere als hilfreich.
Ein weiterer Aspekt ist der schon erwähnte Gruppenzusammenhalt. Es geht dann irgendwann nicht nur um Inhalte, sondern darum Recht zu haben. Mit einer Annahme richtig zu liegen, es auf Grund eigener langjähriger Erfahrung mit absoluter Sicherheit "besser" zu wissen, wird dann wichtiger als die Information oder die Hilfestellung.
Das kann soweit führen, dass die "Eingeweihten", diejenigen, die lange dabei sind, sich gegenüber "Neulingen" herablassend äussern.
Statt auf die Hilferufe solcher Leute einzugehen, werden sie dann mit den Gruppendogmen eingedeckt, meist noch Lehrmeisterhaft.
Anstatt die konkreten Fragen zu beantworten, hinter denen meist weniger der Wunsch nach medizinischen Informationen steht, sondern der Wunsch nach Zuspruch, nach Mitgefühl oder ein paar brauchbaren Tipps, wie man mit Elend und der Zerzweiflung, die dahinter stehen umgehen könnte, oder wo man entsprechende professionelle Hilfe bekommt, werden die Leute mit Ratschlägen virtuell geschlagen.
Virtuell angegriffen wird auch jeder, der Kritik übt, etwas in Frage stellt oder auch nur eine andere als die von der Gruppe mehrheitlich vertretene Meinung zu einem der unzähligen Aspekte vertritt.
Da wird die Hilfe, zur Selbsthilfe, allerdings nicht für die Betroffenen, sondern für Gruppe und die, die sich damit identifizieren.
Auch eine Art mit dem Schicksal einer chronischen Krankheit umzugehen, aber eine Rücksichtslose.
brigitte obrist
Wenn Hilfe zu Selbsthilfe ausartet
Re: Wenn Hilfe zu Selbsthilfe ausartet
liebe brigitte!Archiv hat geschrieben: ↑Mo 12. Mär 2018, 21:58 Selbsthilfegruppen sind eine gute Sache. Oder doch nicht?
In Selbsthilfegruppen treffen sich Leute oder tun sich Leute zusammen, die nur eine Gemeinsamkeit haben. Sie haben ein ähnliches Schicksal. Sei es Sucht oder Angehörige von Süchtigen oder eben eine Krankheit.
Bleiben wir bei den Selbsthilfegruppen, bei denen es um Krankheit geht.
Das Internet hat gerade in diesem Bereich zu einem wahren Boom an Selbsthilfeorganisationen ausgelöst. Man kann, muss aber nicht und ganz wichtig, man kann anonym bleiben.
Foren haben Vorteile, um sich mal schnell zu informieren, sich mitzuteilen und zu erfahren, anderen geht es genauso.
Einige Selbsthilfegruppen bieten neben Foren auch reale Treffen an.
Alles gut und recht. Aber wie nichts einfach oder gar perfekt.
Eine Gruppe identifiziert sich über eine oder mehrere Gemeinsamkeiten. Bestehen diese nicht, fällt die Gruppe auseinander.
Das führt zuweilen dazu, dass Gruppen Dogmen entwickeln, um ihre Zusammengehörigkeit und die Abgrenzung gegen andere Gruppen zu untermauern oder zu festigen.
Dann wird die Hilfe zur Selbsthilfe.
Foren haben eine ähnliche Funktion wie der Warteraum einer Arztpraxis. Man erzählt sich die Symptome und schon haben die anderen sie auch.
Da Foren rund um die Uhr offen sind, die Zahl der Beteiligten grösser als im Warteraum einer Arztpraxis kumuliert sich das Ganze.
Man verliert auf der Suche nach einer Lösung, in Nebenschauplätzen, in Details und Kausalzusammenhängen, die dem Zufall entsprechen.
Das entspringt zwei Bedürfnissen. Dem einen, auch selber etwas im Kampf gegen die Krankheit unternehmen zu können und dem Wunsch nach einer vollständiger Heilung.
Solche Forendiskussionen, die sich spekulativ mit Ursachen und Heilungsmethoden drehen können auf Eingeweihte manchmal surreale Formen annehmen.
Für Neuzugänger sind sie meist verwirrend und alles andere als hilfreich.
Ein weiterer Aspekt ist der schon erwähnte Gruppenzusammenhalt. Es geht dann irgendwann nicht nur um Inhalte, sondern darum Recht zu haben. Mit einer Annahme richtig zu liegen, es auf Grund eigener langjähriger Erfahrung mit absoluter Sicherheit "besser" zu wissen, wird dann wichtiger als die Information oder die Hilfestellung.
Das kann soweit führen, dass die "Eingeweihten", diejenigen, die lange dabei sind, sich gegenüber "Neulingen" herablassend äussern.
Statt auf die Hilferufe solcher Leute einzugehen, werden sie dann mit den Gruppendogmen eingedeckt, meist noch Lehrmeisterhaft.
Anstatt die konkreten Fragen zu beantworten, hinter denen meist weniger der Wunsch nach medizinischen Informationen steht, sondern der Wunsch nach Zuspruch, nach Mitgefühl oder ein paar brauchbaren Tipps, wie man mit Elend und der Zerzweiflung, die dahinter stehen umgehen könnte, oder wo man entsprechende professionelle Hilfe bekommt, werden die Leute mit Ratschlägen virtuell geschlagen.
Virtuell angegriffen wird auch jeder, der Kritik übt, etwas in Frage stellt oder auch nur eine andere als die von der Gruppe mehrheitlich vertretene Meinung zu einem der unzähligen Aspekte vertritt.
Da wird die Hilfe, zur Selbsthilfe, allerdings nicht für die Betroffenen, sondern für Gruppe und die, die sich damit identifizieren.
Auch eine Art mit dem Schicksal einer chronischen Krankheit umzugehen, aber eine Rücksichtslose.
brigitte obrist
du sprichts mir aus dem herzen, auch wenn ich es nicht so gut hätte ausdrücken können!
lsfg
paul