Archiv hat geschrieben: ↑Di 20. Mär 2018, 23:35
Hallo,
ich leide seit 7 Jahren am Clusterkopfschmerz. Nun habe ich gehört, dass Opiate akut gegen die Schmerzen helfen sollen. Vieles andere wie Triptane oder Sauerstoff habe ich versucht - ohne Erfolg! Kennt sich jemand damit aus, oder weiß näheres?
Du hast richtig gehört. Und wenn es nur den einen gäbe, also mich, dem Opiate, Morphium und deren Derivate geholfen haben, dann gehe ich mal davon aus, dass es noch mehr von uns geben könnte, in deren Fällen diese Medizin hilfreich ist. Das heißt jedoch nicht, das der Gebrauch dieser Mittel Anfälle verhindert oder sie irgendwie in ihrer Syptomimanenten Autonomie beeinlussen würde. Das bedeutet nur, das der wie gewohnt zwangsweise oder getriggerte Schmerz beginnt und dann mithilfe der möglichst schnellen oder schon vorbereiteten Einnahme in seinen Auswirkungen begrenzt werden kann. Wir erleben ihn dann schon noch in seiner ganzen Härte, Ausprägung, Verbreitung wie das Orginal jedoch wie hinter einem Nebel mit einem deutlich zurückgesetzten Schmerzempfinden, das uns die Zustände zuweilen mehr als Zuschauer, als als wehrloses Opfer erleben läßt. Das finde ich für mich sehr entlastend und nimmt die Furcht vo dem nächsten Ereignis, weil ich weiß, dass ich die Attacken wohl erleben muß, aber in ihrer Grausamkeit zum erstenmal beherrschen kann. Ich habe die Medikamete in der Hand, die mich entscheiden lassen, wie viel Schmerz und wie lange ich ihn zulassen möchte. Über deren Einnahme und Wirkung führe ich dann eine chronologische Dokumentation nach verschiedenen Kriterien, in der auch Lebensumstände und Triggersituationen erfasst werden. Das ist das Handwerkzeug, mit dem sich mein CS auch durch wüste Zeiten (Anfälle 8x am Tag, beginnend 1 Std. nach dem Hinlegen = im Zweifel ganztägig 3 Std. x 8 bis zur Überlebensfähigkeit führen ließ.
Dabei darf man keine Schmerzfreiheit erwarten (nur Milderung bis zur Erträglichkeit) und muss klarkommen mit den Nebenwirkungen. Das ist möglicherweise sehr ernsthafter Schlafentzug,normale Kopfschmerzen, hohes Verletzungsrisko, eine deformierte psychische Situation, totale Antriebsarmut, gruselige Stuhlgangsgeschichten und eine erst nach dem Absetzen relevante psychische Entzugserscheinung. Das alles ist nicht schön und nur zum Teil mit wieder anderen Medikamenten zu mildern. Doch es entläßt Dich nicht in diese Passivität der Verzweiflung und Perspektivlosigkeit. Du kannst immer noch was machen. Du entscheidest: Wann nehme ich welche Pille und mit welchen Nebenwirkung kann und will ich mich später arangieren. Je nach dem persönlichen Entscheiden wirst Du Pillen nehmen können, die niemand anderes in seinem Leben kannte. Du wirst den sinnvollen Umgang mit ihnen lernen und wohl gar nicht mehr die freiwillige Entscheidung über die Selbstmedikation aus den Händen geben wollen. Unter der Bedingung, dass mein aktueller Anfall mich aufgrund einer eigenen Entscheidung in spätestens 15 Minuten nicht mehr zur Verzweiflung treiben kann (wenn ich schnell genug reagiere), kann ich ihn deutlich leichter aushalten, als wenn ich nur vor der Frage stünde: Klappt es oder klappt es nicht! Oder gar nur vor der Frage: Kommt er und werde ich ihn überhaupt aushalten können. Nochmal: Die Opiate heilen nichts, aber sie decken bei ausreichender Dosierung den Schmerz zu. Und manchmal sogar so transparent, dass du hinterher tatsächlich noch vermuten kannst, wo auf Deiner Skala von 0 bis 10, oder 0 bis 125 % er angekommen wäre, wenn da nicht mehrere 20mg Sevredol und 1/4 bis 1 Lutscher Actiq1600 gewesen wären. Das ist wichtig für Deine Dokumentation, die für Dich wichtig ist und für Deinen Arzt, der daran sieht, dass Du mit Deinen BTMs verantwortungsvoll umgehst. Zur persönlichen Eignung: Ich glaube ja, dass es eine Frage der Dosierung und der Verwendung der härtesten Mittel ist, die anal, oral oder nasal eingenommen werden können und wir können damit mit Sicherheit jeden Schmerz platt machen. (Nur so ist die Narkose bei OPs denkbar). Zu entscheiden ist eigentlich nur, ob ich die Nebenwirkungen akzeptiere und ob ich damit leben will, nicht heilende, nicht anfallsverhindernden Mitteln eine Chance zu geben, und um dies dann auch auf Dauer zu tun, während ich optional auch die anderen Mittel der 1.Wahl noch paralell probiere. Das geht natürlich auch und ist auch gerade dann am sinnvollsten, wenn man noch nicht irgendetwas mit brauchbarer Wirkung gefunden hat.
Jeden Tag mindestens ein lautes Lachen wünscht hier Nedescorn