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Kaum Cluster seit Jahren (Bericht)

Verfasst: Sa 17. Mär 2018, 16:16
von Archiv
Ich bin ein periodisch Betroffener und war - glaube ich - nie hier angemeldet, obwohl ich dieser und anderen Seiten viel zu verdanken hatte (nachdem ich endlich wusste, was ich habe). Und wenn das Tier schlief habe ich die Seiten nie aufgerufen (wie so viele von uns).

Jetzt will ich mal meine Geschichte erzählen - vielleicht hilft die eine oder andere Info irgendeinem anderen Betroffenen. Wenn der Bericht hier im Forum unpassend (weil zu lang) ist, darf er gerne verschoben werden.

Ich habe eine typische Karriere von bald 20 Jahren hinter mir. Der genaue Beginn ist unklar (kann recht früh - vielleicht schon in der Schulzeit gewesen sein), erste klare Cluster mit ca. 25, Diagnose dann aber erst viel später.
Mit Grausen erinnere ich mich, an unwissentlich getriggerte Super-GAUs in jener Zeit (in Nachtschicht bis zum Morgengrauen mit Lösungsmitteln gearbeitet, durchgefroren aus der Arbeit im Regen direkt in die Sauna). Mit Schmerzmitteln habe ich immer wenig experimentiert - wegen allgemeiner Medikamentenskepsis. Einerseits ist Medikamentenverzicht bzw. das Aushalten der Schmerzen zwar falsch, aber andererseits wusste ich dadurch immerhin recht gut, wann die Attacken (nachts im Schlaf oder Alkohol) kommen und dass sie wieder verschwinden. Außerdem hätte die Hausapotheke ja bekanntlich nicht geholfen.

Die Intensität nahm mit den Phasen zu und irgendwann landete ich nach der typischen Arzt-Odyssee bei einem Neurologen. Diagnose Depression. Die nachfolgende Therapie über Jahre hat mir sicherlich nicht geschadet, aber bei der nächsten Cluster-Phase stand ich dann wieder beim gleichen Arzt. Diesmal die richtige Diagnose - nur noch die falschen Medikamente, worauf ich dann aber aus medizinischem Umfeld gleich hingewiesen wurde. Außerdem war jetzt das Internet eine große Hilfe. Dennoch hat der ganze Erkenntnis-Prozess noch so lange gedauert, dass ich erst zum Ende der ca. 2 Monate den Sauerstoff da hatte und quasi nicht mehr evaluieren konnte, ob er hilft. Ich war in jener Clusterphase sogar noch ohne Sauerstoff kurz verreist (ganz, ganz dumme Idee: Attacken im Zug oder auf Bahnhöfen sind echt das Letzte).
Den Sauerstoff hatte ich mir von meiner Hausärztin besorgt. Der Neurologe war bei mir inzwischen wegen der ungeeigneten Medikamente durchgefallen.
Zur nächsten schweren Phase konnte ich dann den Sauerstoff richtig testen. 80% der Attacken wurden kupiert, wie das Schmerztagebuch verrät. Einige "Versager" sind eindeutig auf zu späte Reaktion zurückzuführen (alles in Allem war ich also sehr zufrieden mit dem Sauerstoff, so dass ich Imigran erste einmal nicht probieren wollte).
Allerdings reichen die verbleibenden 20 % Attacken völlig aus, um einem das Leben gründlich zu verleiden (zumal man ja auch jederzeit mit einem Überfall rechnet). Ein paar getriggerte 3-4 Stünder waren darunter bzw. nicht vollständig abklingende Attacken in kurzen Abständen.
Und statt 2 Monaten wurden es dann auch noch 4 Monate (soviel zu dem gelegentlich geäußerten Verdacht, dass jede Behandlung nur zu einer verspäteten Austeilung der Schmerzportion führt - aber man weiß halt nicht, was ohne Behandlung gewesen wäre). Eine sehr engagierte Schmerztherapeutin (leider inzwischen im Ruhestand) hat den Prozess begleitet und das Verapamil dosiert. Langsam hoch und nach dem Ende der Phase über den Zeitraum von ca. 1 Jahr wieder runter. Als der Cluster nach 3 Monaten keine Ruhe gab, hatte mich die Therapeutin zu einem Spezialisten mit beeindruckender Profi-Praxis (keine Wartezeit, viel Zeit für den Patienten) geschickt, der allerdings bereits nach 5 Minuten Beschreibung die Diagnose "chronisch" stellte. Daraufhin habe ich glatt eine E-Mail an jene Koryphäe aus Kiel (peinlich: der Name ist mir entfallen) geschrieben, mit der Frage, ob ein Arzt nach so kuzer Zeit diese niederschmetternde Diagnose stellen sollte (sollte er natürlich nicht). Ich habe diesen Mann nicht wieder aufgesucht - meine Schmerztherapeutin bestätigte im Nachhinein, dass er "nicht gerade als patientennah" gelte (aha!).

Das ist jetzt mindestens gut 5 Jahre her (oder 6?). Stress gab es seitdem genug - aber auch Erfreuliches. Eine Auslandsfernbeziehung verleitete mich dazu, den sicheren Dunstkreis meiner Flasche zu verlassen (anfangs war ich allein schon wegen der Flüge skeptisch, aber im Flugzeug ist das echt aufwändig - das O2 muss die Fluggesellschaft stellen .... jedenfalls habe ich es dann einfach riskiert) - aber im Land bekommt man den Sauerstoff notfalls sicherlich schnell. Trigger habe ich gemieden (u.a. Glutamat, Tomaten), allerdings wurde gelegentlich bei netten Wirtshausrunden in landesüblicher Manier auch den entsprechenden Schnäpsen zugesprochen. Von Haus aus eher mäßig trinkend, ergab dieser Genuß zusammen mit dem Lackieren eines Möbels mal wieder ein brenzlige Lage (es war über Tage deutlich spürbar, wie sich der Cluster anschlich).
Zack - wieder ins Internet (hierher auf diese Seite und andere) und wieder einmal über den Hinweis gestolpert, man solle es doch auf jeden Fall mit Diät und Triggervermeidung versuchen. Der spontante Entschluss: kein Alkohol mehr - und seitdem habe ich in gut 2 Jahren nicht mal ein halbes Bierglas voll getrunken (gewöhnliches Bier schmeckt inzwischen übrigens wie schlechter Schnaps, wenn ich mal daran nippe).
Alkoholfreies Weizen ist übrigens völlig topp. Selbst alkoholfreies Pils wird mit der Zeit einigermaßen trinkbar (naja ... - es schmeckt inzwischen jedenfalls besser als das Zeug MIT Alkohol). Bei Wein oder Whiskey gibt es allerdings keinen Ersatz. Aber mal ehrlich: Solange ich keine Schmerzen habe, heule ich sicher keinem verpassten Glas Wein oder Whiskey hinterher.

Dennoch gabe es ein paar Monate später und zu einem maximal unpassenden Zeitpunkt kurz vor einer geplanten OP einen Überfall des Clusters - und zwar gleich ganze Sets kurzer (immerhin erfolgreich sauerstoffkupierter) Attacken die ganze Nacht durch (statt des üblichen Standards der ersten Woche: 1 x 1 Std. nach dem Einschlafen). Sofort einen Termin mit einer neuen Arztempfehlung aus dem Internet (knappe Woche Wartezeit leider). Komischerweise legte sich der Cluster vor dem Termin wieder hin (so etwas hatte es früher nicht gegeben - wenn er erstmal drin war, hat er 4-8 Wochen oder eben länger gewütet).
Insofern kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob das Cortison geholfen hat, das ich erstmals genommen habe. Die OP musste wegen des Cortinsons leicht nach hinten verschoben werden, aber ich fühlte mich wieder einigermaßen sicher (es war mein Albtraum, möglicherweise im Krankenhaus einige Tage eingeschränkt bewegungsfähig mit dem Cluster zu kämpfen).
Der Cluster hat dann nur noch bei zwei Anlässen wieder angeklopft:
Einmal im Hebst meinte ich nicht Neinsagen zu können und habe einen spendierten Gruppencocktail (die waren wirklich mini) aus Höflichkeit runtergeschluckt ... auf dem Heimweg eindeutige Lauerstellung des Clusters.
Im Frühjahr - durchfroren aus der ungeheizten Wohnung in die schon sehr starke Sonne (ausgiebig) ... da ist der Cluster direkt vor Ort mit der Tür ins Haus gefallen, ohne sich vorher noch auf die Lauer zu legen (sicher nur so Stufe 5, aber für einen Panikausbruch reicht es) und ich war gleich wieder im Internet. Es blieb aber bei der einmaligen Attacke.

Inzwischen bin ich verhalten optimistisch, dass ich den Cluster vielleicht "im Griff" habe (oder er zumindest nicht mich). Ich esse gesund (viel Salat, Gemüse, Hülsenfrüchte und wenig Fleisch) und bewege mich eher viel. Allerdings hatte ich das Rauchen bisher nie dauerhaft eingestellt (= 25 Jahre mittelmäßiger Raucher < 20 p/d). Ein aktueller Aufhör-Versuch läuft in der 3. Woche (und bisher ohne Mogeln) - eine Clusterattacke könnte mich allerdings rückfällig werden lassen.

Aktueller Anlass, mich an den Cluster zu erinnern und im Netz zu stöbern, ist ein neuer Bekannter, der eine hochgradig erbliche und extreme Migräne hat (ab dem 12. Lj). Seine Schmerzbeschreibung ist exakt Cluster und auch die sekundären Anzeichen sind dabei. Allerdings ist die Attackendauer eindeutig Migräne (viele Stunden bis Tage) und er muss sich am Ende übergeben. Von Cluster wusste er nichts und hat die ganze Chemie inzwischen eingestellt (bei den über Jahre eingenommenen Mengen sind gesundheitliche Schäden und ein medikamenteninduzierter Schmerz irgendwann doch sehr wahrscheinlich) - mal sehen ... vielleicht kann ihm ja Sauerstoff etwas helfen.
Als die Mutter ihre Schwiegermutter zum ersten Mal sah, schlug diese grade beständig mit dem Kopf gegen die Hauswand. Der Vater ist genauso betroffen.
Vermutlich ein komplizierter Fall - hoffentlich findet der einen kompetenten Spezialisten (ist nicht in Deutschland - Arzttipps insofern grad sinnlos!).

Ganz vergessen: Ich wünsche Allen möglichst viel schmerzfreie Zeit.