Diagnose bekommen - Ängste und Hoffnung

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CRIX
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Registriert: Mi 3. Apr 2019, 13:57

Diagnose bekommen - Ängste und Hoffnung

Beitrag von CRIX »

Hallo Forum,

ich bin auch neu hier und suche ein wenig den Austausch mit Leidensgenossen/innen.

Zu mir, ich bin männlich, 30 Jahre, Informatiker von Beruf, verheiratet, Kind ist unterwegs.

Bei mir ging die ganze Sache schon vor einigen Jahren los. Damals traten unmittelbar nach einem Zusammenprall am Kopf beim Fussball Schmerzen auf. Einseitig, stark, ca 45 Minuten regelmäßig. Dazu starke Nackenschmerzen. Damals war mein erster Weg, weil ich schon zuvor Probleme mit der HWS hatte. Diagnose: Vermutlich Spannungskopfschmerz. Vielleicht war die diese Diagnose nicht unbedingt falsch, denn erste Massagetermine halfen und das Kopfweh verstand. Man diagnostizierte als Grund einen, durch den Zusammenprall, leicht verdrehten oberen Halswirbel.

Vor zwei Jahren war es dann so, dass die Schmerzen, nach 3 Jahren Ruhe, wieder vermehrt auftraten. Also wieder Physio, Schmerzmittel. Diesmal half die Massage nicht und Iboprofen bewirkten, dass die Attacken mittlerweile keine 45 Minuten sondern annährend 2 Stunden dauerten. Ausserdem wurden sie sogar teilweise durch Massagen ausgelöst. Schnell war klar... vielleicht doch kein Spannungskopfschmerz. Meine Mutter, langjährige Migräne-gepeinigt, vermutete eben das Gleiche, es fehlten aber die typischen Merkmale wie Erbrechen und Liegebedürfnis. Bei Selbstuntersuchung mit Dr. Google traf ich zum ersten Mal auf die Worte "Clusterkopfschmerz" und "suicide headache". "Hab ich nicht... sooooo schlimm ist das ja nicht."

Durch "Kontakte" in der Familie konnte ich dann zu einem (in meinen Augen sehr guten) Chefarzt-Professor der Neurologie, der mich dann von Kopf bis Brustkorb auf links stellte. Lange Gespräche über meine private Situation (in der prinzipiell alles ganz gut war und ist), Untersuchungen wie MRT, CT, EEG usw usf. Auf die Beschreibung meiner Kopfschmerzen, die sich im damaligen Cluster auf eine Attacke alle 2-3 Tage eingependelt hatte, mit zwar ordentlichen, aber ganz okay aushaltbaren Schmerzen, wurde er sofort hellhörig. Cluster-Kopfschmerz. Alles weitere wurde durch die Untersuchungen ausgeschlossen, der Kopf sieht normal aus, Dopplerverfahren am Hals auch i.O. dem Alter entsprechend. Die Begleitumstände wie Unruhe, tränendes und juckendes Auge, streng einseitig (links) sowie die zeitliche Eingrenzung (zw einer halben und 2 Stunden) verhärteten die Diagnose. Per "Therapieverfahren" wollte ich also die Diagnose dann abschliessen: Hilft der Sauerstoff, dann ist es Cluster. Nach der Untersuchung war der Cluster vorbei.

Am 13.02.19 ging es dann zum ersten Mal wieder los. Seitdem hatte ich, bis heute, 17 Attacken. Nie mehr als 1 pro Tag, längste Pause waren einmal 6 Tage, kürzeste Pause 24h.
Die einzige Konstante: Immer links, immer mit juckendem Auge und schmerzendem Nacken. Die Uhrzeiten dagegen höchst unkonstant (6mal Nachmittags, 3mal abends, 1mal vormittags, 4mal morgens beim Aufwachen, 3mal mitten in der Nacht) die Intensität ebenfalls schwankend von "störend, aber okay" (meine persönliche Skala 1-10 eine 3) zu "schmerzhaft" (5-6/10) bis hin zu "extrem schmerzhaft" (10/10). Trigger konnte ich leider nicht herausfinden, einmal auffällig nach einem Essen im China-Restaurant (Glutamat), einmal direkt nach einem Mittagsschlaf.

Ich habe jetzt dann auch Medikation, die ich vor zwei Jahren nicht mehr beschafft hatte, da der Cluster vorbei und ich die Sache verdrängt hatte. Zuerst bekam ich Imigran nasal, was ich zuerst ausprobiert habe. Beim ersten Mal (Attacke morgens, 6/10) hatte es innerhalb von 10 Minuten geholfen und den Schmerz komplett verdrängt. Ich war begeistert. Beim zweiten Mal (morgens, 6/10) hat es lediglich ein wenig abgemildert. Im dritten Fall hat es leider überhaupt nicht geholfen, da ich wegen "normaler Kopfschmerzen" 10 Minuten vorher eine Ibu genommen habe (vermute ich), dann ging die Attacke los. War danach auch die schlimmste und längste (knapp 150 Minuten). Der vierte Einsatz beim Nasenspray war ebenfalls nur eine leichte Minderung. Morgen bekomme ich meine erste Sauerstoffflasche.

Langer Text zuerst einmal.

Noch kurz zu der Überschrift "Ängste/Hoffnung"

Ich würde gerne über meine Ängste reden. Meine Frau unterstützt mich wo es geht, kein Thema, sie kann auch nachvollziehen dass der Schmerz sehr heftig ist. Über meine Ängste zu reden ist aber schwierig, weil sie auch oft sagt: "Les nicht soviel im Internet, guck dir keine Videos an usw." Ich denke, mit Leidensgenossen redet es sich besser.

Und, so blöd es sich anhört, ist meine größte Angst zur Zeit deswegen, weil es mich, gemessen an den Erfahrungsberichten, scheinbar noch gut getroffen hat. Ich lese von 3-4 Attacken täglich, ich dagegen habe eine Attacke alle 3-4 Tage. Meine Angst ist, dass es mit der Zeit vielleicht mehr wird. Ich habe ein Video gesehen, in denen eine junge Frau inbrünstig geschrieen hat während einer Attacke, so schlimm habe ich den Schmerz bisher nie gefühlt. In meiner schlimmsten Attacke lag ich auf der Couch, presste die Hand aufs bzw übers Auge. Ich habe gestöhnt, ich habe mir in die Hand gebissen, einmal habe ich mir gegen den Kopf geschlagen... das wars. Ist das einfach ein anderer Ausdruck von Schmerz? Ein anderes Verarbeiten? Oder ist das, was ich als 10/10 beschreibe, weil ich es nicht schlimmer kenne, in Wirklichkeit erst die 5/10, und die zweite Hälfte wartet noch auf mich? Das ist die Angst, die mich umtreibt... die Ungewissheit, in welche Richtung es sich entwickelt, ob es so kommt oder ob es so bleibt.

Meine Hoffnung ist: WENN es so bleibt, komme ich klar. Ich habe noch keinen Tag auf der Arbeit gefehlt deswegen, bei Attacken auf der Arbeit (zum Glück nur bisher 6/10 Stärke) kann ich mich für eine Stunde zurück ziehen. Schlimme Attacken sind überstehbar, mit dem Sauerstoff vielleicht noch eher. Mein tägliches Leben ist bisher nicht eingeschränkt, ich arbeite, spiele Fussball, mache Ausflüge, gehe meinen Hobbys nach. Während einer Attacke ist immer die Hoffnung präsent: Spätestens in zwei Stunden ist alles vorbei...


Ich bin froh, mir mal vielles von der Seele zu schreiben, und würde mich freuen auf Austausch und Rückmeldung.
Wolkenblick
Beiträge: 31
Registriert: Do 7. Dez 2017, 08:12

Re: Diagnose bekommen - Ängste und Hoffnung

Beitrag von Wolkenblick »

Hallo CRIX,

willkommen im Forum. Die Ängste, die du beschreibst, sind nur natürlich. Wer soll einem denn verbindlich sagen können, ob die Schmerzen, die man als 10/10 empfindet „in Wirklichkeit“ schon 10/10 sind? Für dich sind sie es. Das soll erstmal gelten.

Und wer sagt denn, dass man bei einer CK-Attacke inbrünstig schreien muss? Jeder reagiert anders. Ich meine schon, genügend 10/10 Attacken gehabt zu haben. Geschrien habe ich dabei nicht und (außer im Geiste) auch nicht den Kopf gegen die Wand geschlagen. Selten mal geheult, ja, das schon. Ansonsten werde ich eher sehr still und ziehe mich zurück, versuche dem Bewegungsdrang nicht zu sehr nachzugeben und mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Habe ich also weniger Schmerzen? Ich denke nicht. Ich habe halt Angst, 1) meine Lieben zu verstören und 2) mich zu sehr im Schmerz zu verlieren. Ist doch klar, dass du im Internet eher dramatische Szenen zu sehen bekommst! Dramatisch würde es bei mir zugehen, wenn jemand in meiner Nähe käme ;)

Die Angst, es könne mit der Zeit mehr werden, kenne ich auch. Schließlich habe ich das schon erlebt. Statt 20 Minuten dauerten die Attacken plötzlich bis zu 3 Stunden, kamen nicht nur aus dem Schlaf heraus sondern auch tagsüber. Unbehandelte 3 Stunden allerdings; mit der richtigen Therapie hätte das gar nicht sein müssen.

Andererseits habe ich zwischendurch sogar eine längere Remission gehabt und dieses Frühjahr meine bisher mildeste Episode überhaupt, während der nur eine Attacke halbwegs was drauf hatte.

Statt um Verschlimmerung könnten die Gedanken also mit gleichem Recht um Verbesserung kreisen. Oder um den Ist-Zustand, denn der ist ja real. Oder um das Leben außerhalb des Clusters. Oder einfach mal um nichts. Damit das besser gelingt, praktiziere ich MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction, eine Form der Meditation) und gehe regelmäßig raus zum Fotografieren.

Du schreibst, dein Leben ist nicht eingeschränkt und du wirst Vater. Es wäre zu einfach, zu sagen: „Dann konzentriere dich darauf“, denn offensichtlich gelingt dir das momentan nicht. Mit ihrem „Les nicht so viel im Internet“ hat deine Frau teils Recht. Es hilft sehr, informiert zu sein, aber man muss es auch wieder loslassen können. Sonst beherrscht der CK auch die guten Zeiten. Mir selbst fällt das zurzeit schwer. Das liegt mit daran, das CK (für mein Empfinden) eine so einsame Angelegenheit ist. Jeder kennt wohl Leute, die z.B. einen Infarkt, Asthma oder Krebs haben. Als Clusterkopf hingegen ist man in einem Vakuum. Vielleicht würde es dir helfen, mal ein Selbsthilfetreffen oder einen Patienteninformationstag zum Cluster zu besuchen. Gerade letzteres hat mir neulich viel gebracht.

Noch kurz zum Ibuprofen: Es bewirkt nichts beim Cluster. Weder nimmt es den Schmerz, noch verlängert es ihn. Es macht auch das Triptan nicht unwirksam. Wenn du mich fragst, ist das Zufall gewesen. Die mit Ibu behandelten Attacken hätten wahrscheinlich ohnehin länger gedauert; das Triptan hätte bei der Attacke womöglich eh nicht geholfen. Das kann mal passieren.

Ich wünsche dir alles Gute
Wolkenblick
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